Ein Platz zum Wurzeln schlagen – Der Interkulturelle Rosenduft Garten in Berlin

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Im Rosenduftgarten am Gleisdreieck in Berlin treffen sich Bosnierinnen zur Gartenarbeit. Hier ist seit 2008 ein Interkultureller Garten, der den Flüchtlingsfrauen hilft, die traumatischen Ereignisse aus dem Bosnienkrieg zu verarbeiten. Von „Südost Europa Kultur e.V.“ wird das Projekt gefördert. Begzada Alatovic ist die Projektleiterin und macht die Gartentherapie mit den Frauen, die heute in ganz Berlin wohnen. Insgesamt gibt es 35 Einzelbeete und noch einige Gemeinschaftsbeete, die den Frauen die Möglichkeit geben, mitgebrachte Pflanzen, vor allem viele verschiedene alte Bohnensorten anzubauen.

Den Menschen in der Stadt ein Stück Natur zurückgeben

In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kam in New York die „Community Gardens“ Bewegung auf. Es wurden zahlreiche Brachflächen in benachteiligten und ausgegrenzten Stadtteilen zu Gemeinschaftsgärten umgenutzt. Die Interkulturellen Gärten sollen gemeinschaftlich und (meist) ökologisch von Menschen verschiedener Herkunft, Ethnie und Religion genutzt werden. Meist hat JedeR ein eigenes Beet zum Bepflanzen. Dazu kommen noch Gemeinschaftsbeete. Die Ziele dieser Gärten sind, die Menschen mit der Natur in Kontakt zubringen, sie für sie zu sensibilisieren, sich auszuprobieren. Dadurch wird das Selbstwertgefühl gesteigert. Weiterhin soll der Interkulturelle Garten den verschiedenen Menschen ermöglichen, sich zu integrieren und Verantwortung zu übernehmen. Dadurch entstehen Gemeinschaft und Nachbarschaftsbeziehungen, welche die Toleranz und den sozialen Frieden fördern und die schwelenden Konflikte bekämpfen.

Ein Interkultureller Garten soll ein Platz zum Wurzeln schlagen sein – eine neue Heimat in der Fremde.

 

Wie die Okra zum Gleisdreieck kam
Nicht nur in der USA wird das Konzept des „Community Gardens“ umgesetzt, auch in Irland, der Schweiz, Frankreich, Österreich und Deutschland gibt es Projekte und Bewegungen dieser Art.

In Deutschland wohnen viele bosnische Familien, die wegen des Bürgerkrieges 1992 – 95 aus Bosnien geflohen sind. Viele haben Angstzustände, Schlafstörungen und sowohl physische als auch psychische Schmerzen von den schrecklichen Ereignissen. Die meisten der Frauen sind zu Hause, sie gehen einmal in der Woche zum Psychologen, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Nur ist das Problem, dass sie zu Hause mit den anderen Frauen immer wieder über den Krieg reden und nicht davon los kommen. Während der Therapie wurde festgestellt, dass die Frauen immer, wenn sie von den Gärten in ihrer Heimat reden, glücklich sind. Denn in Bosnien haben die Frauen sehr viel Zeit im Garten verbracht.

1996 ergriffen daraufhin bosnische Flüchtlingsfrauen in Göttingen die Initiative und gründeten einen Internationale Garten.

Von Göttingen aus schlossen sich überall in Deutschland Gruppen aus Familien mit Migrationshintergrund zusammen und gründeten Interkulturelle Gärten. Auch in Berlin-Kreuzberg (Bethanien) versucht eine Gruppe Bosnierinnen ein Stück Land zu bekommen, um es zu bestellen. Von 2004 bis 2006 wurde ihnen immer wieder zugesagt, dass sie einen Platz für ihre Beete bekommen, aber nichts passierte. Doch 2006 bekamen die 25 Frauen schließlich 9 Beete am Gleisdreieck auf dem Kopfsteinpflasterweg. Nun ging es los. Die Frauen trafen sich nun fast jeden Tag an ihren Beeten.

Zwei Jahre später, 2008 bekamen die Frauen dann eine 1700m² große Gartenfläche vom Bezirksamt im neuen Park am Gleisdreieck kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Vorbereitung der Fläche, wie zum Beispiel das Entfernen der alten Schienen, und die Grobgestaltung wurde von der Grün Berlin GmbH übernommen. Heute sind hier ca. 40 Einzelbeete für die 35, überwiegend aus Bosnien stammende Familien, aber auch eine afrikanisch stämmige Familie und ein schwules Pärchen. Dies soll die Offenheit der Flüchtlingsfrauen stärken. Weiterhin gibt es fünf Beete, die für die „Patienten“ der Gartentherapie vorbehalten sind. Zu den Einzelbeeten kommen noch mehrere Gemeinschaftsbeete, wie zum Beispiel die Kräuterspirale und der Steingarten. Es gibt einen großen Gemeinschaftsplatz zum Sitzen und Erzählen und Gartenfeste feiern. Die Frauen kochen mittags immer miteinander, was sie im Garten ernten. In den Ferien und nach der Schule sind auch die Enkelkinder im Garten und bewirtschaften ihre Beete, helfen beim Gießen, sammeln Kartoffelkäfer ab und genießen den Duft der Blüten.

In der Natur etwas mit den Händen zu machen, ist heilsam. Das regelmäßige Treffen und gemeinsame Arbeiten zusammen mit den anderen GärtnerInnen hilft, den Alltag besser gestalten zu können. Anfangs war es zum Beispiel eine große Hürde für die Frauen, allein U-Bahn zu fahren. Sie kamen immer alle gemeinsam, weil sie das Zusammengedrängtsein der Menschen in der U-Bahn zu sehr an die Lager im Krieg erinnerte. Heute haben die Frauen kein Problem mehr mit U-Bahnfahrten. Der Weg zu den Gärten ist vertraut und mit Vorfreude gemischt. Vorfreude auf all die vertrauten, heimischen Pflanzenarten, die sie anbauen wie zum Beispiel Okra aus Bosnien an.

So wächst aus den kleinen, mitgebrachten Samen eine neue Heimat heran, deren Wurzeln mit der Zeit immer stärker werden.

 

 

Quellen

Bosnienkrieg

Gleisdreieck:

http://www.tiergarten-sued.de/fileadmin/content-media/media/2009/Aktuell/04-08_gleisdreieck_kinderplanung.pdf

 

Wissenslandkarte
Kommentierte Wissenslandkarte (PDF)


Einschätzung der regionalen Innovation

Zukunftsfähigkeit
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Der Garten und auch die Projektleiterin werden aus verschieden Töpfen und Spenden gefördert. Ohne diese Förderungen wäre es nicht realisierbar.
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Der Garten wird nach ökologisch Standards bewirtschaftet. Durch ihn bekommen die GärtnerInnen einen Bezug zu ihrer Umwelt.
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Der Garten fördert primär die Kommunikation, Kooperation, Nachbarschaftsbeziehung und Weltoffenheit zwischen den Frauen und überdies die Sozialkompetenzen der Frauen gegenüber anderen, fremden Menschen.
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das Projekt ist sehr ressourcenschonend, der Kompost wird aus Gartenabfällen wiedergewonnen. Die Saat wird vervielfacht und auch alte Sorten wieder angebaut.
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Abhängigkeit zu vertrauen Räum und vertrauter Umgebung wird abgebaut – trauen sich raus und mehr zu, stärkt das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, macht sie wieder lebensfähig.
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Es findet viel Austausch zwischen GärtnerInnen statt und die Internetseite bietet reichliches Informationsmaterial. Die Projektleiterin ist gut zu erreichen und antwortet schnell und zuvorkommend auf alle Fragen.

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